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GLOCKEN DER BASILIKA KLINGEN SEIT 75 JAHREN
Ein Bericht von Brunhilde Marquardt:
GLOCKEN DER BASILIKA KLINGEN SEIT 75 JAHREN
Ihre Klangwirkung wurde 1949 im Abnahmegutachten des Glockensachverständigen der Erzdiözese Freiburg, Heinrich Rolli, so bewertet:
„Die neuen Glocken von Walldürn geben das, was man nur von idealen Glocken erwarten darf: Sie sind erhabene Stimmen, die bis ins Innerste dringen, die beruhigen, befreien, lösen und mahnen. Meister Hamm gebührt für diese Leistung uneingeschränktes Lob. Die Gemeinde hat ein Geläute erhalten, das auch strengster Kritik standhält und an dem sie immer Freude haben wird“.
Eine hohe Auszeichnung aus professioneller Hand erhielt damals das Glockengeläut der Wallfahrtskirche, auf die die Gemeinde durchaus stolz sein darf.
Bilder zur Glockenweihe am 28.August 1949:
Die Marianische Kongregation, also die Jugendschar, erwartete am Rüd`schen Eck in Buchen den Lastwagen mit den Glocken.
Festlich geschmückte Glocken zur Weihe auf dem Wallfahrtsplatz, am Fest des Hl. Augustinus, am Sonntag 28. August 1949.
Doch spielen Glocken in unserer heutigen Gesellschaft noch eine Rolle? Haben sie noch den Stellenwert, den sie ursprünglich innehatten, nämlich Menschen zu rufen, zu wecken, zu erinnern, indem sie Menschen zum Nachdenken anregen?
Was bedeuten für uns heute Kirchenglocken im Allgemeinen und im Besonderen die Glocken unserer Wallfahrtsbasilika? Sind sie immer noch ein treuer Wegbegleiter durch unseren Alltag oder geben sie mit ihrem gewohnten und vertrauten Klang unserem Tag eher unbewusst einen Rhythmus und vermitteln sie sogar ein Gefühl von Heimat?
Rufen sie uns heute noch zum gemeinsamen Gebet und zum Gottesdienst? Worauf wollen Glocken heute aufmerksam machen? Sind es Kindheitserinnerungen, die uns mit Glockengeläut verbinden oder erinnern sie uns im Nachklang z.B. beim 12-Uhr-Läuten: „Mach mal ne Pause“.
Glocken markieren festliche und auch traurige Anlässe. An Silvester begrüßen sie mit ihrem Geläut um Mitternacht das neue Jahr. Ein guter und wertschätzender Brauch in Walldürn ist, z.B. das Läuten der Glocken am Freitagnachmittag um 15 Uhr für alle Verstorbenen der Stadt in der vergangenen Woche.
Glocken sind musikalische Freiluftinstrumente, die von stabilen Kirchtürmen ihren Klang weit ins Land hinaus schallen lassen. Sie zählen zu den frühesten Erfindungen der Menschen.
Glocken gehören nicht nur zum liturgischen Leben der Kirche, sondern ebenso zum alltäglichen Leben in der Öffentlichkeit. Wann und wie sie erklingen, wird in einer Läute-Ordnung festgelegt.
Glockengeläut gilt auch heute noch als Stimme des Himmels, der Freude, der Feierlichkeit, auch des Gewissens, damit „der Mensch weiß, was es geschlagen hat“.
Letztlich sind Glocken ein wichtiges Kulturgut, unser Sprachgebrauch ist voll von Anspielungen auf die Glocke. Glocken sind Klangdenkmale und ein kostbarer Schatz. Sie verkünden eine Botschaft und gelten als Zeichen der Verständigung. Sie sind Kunst und sie haben eine Geschichte.
Möge die Bedeutung der Glocke nie verklingen und der Wert dieses Kulturgutes uns immer bewusst sein. Friedrich Schiller drückt es in seinem Gedicht „Die Glocke“ so aus: „….Freude dieser Stadt bedeute, Friede sei ihr erst Geläute“.
GESCHICHTE DER GLOCKEN
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurden alle Glocken der Wallfahrtskirche eingezogen und kamen nicht mehr zurück. Sie wurden eingeschmolzen und das Metall für die Rüstung verwendet. Nur die kleinste, die Franziskusglocke (Gussjahr: 1894; Gewicht: 250 kg; Ton: des) durfte bleiben.
Schon bald nach Kriegsende wollte die Gemeinde trotz größter materieller Not ihre Glocken wieder läuten hören. Sie waren den Menschen meist wichtiger als ihr persönliches Wohlergehen. Mit der Ankunft der neuen Glocken verbanden die Menschen die Wiederkehr von Frieden, Freiheit und Menschenwürde.
So hat man sich auch in Walldürn für ein neues, sechsstimmiges Glockengeläut entschieden. Fünf Glocken wurden im Jahr 1949, eine weitere 1951 eingeweiht.
Die Glockengießerei Hamm in Frankenthal erhielt dazu den Auftrag, das Material lieferte die Metallhütte Carl Fahlbusch in Rastatt.
Die Fränkischen Nachrichten schrieben über einen Freudentag im August 1949 in Walldürn: Die ganze Stadt sei auf den Beinen gewesen. Jugendverbände mit Fahnen und Bannern, die Musikkapelle und eine große Menschenmenge seien über die damalige Friedensstraße (heute Adolf-Kolping-Straße) zur Buchener Straße in die Nähe der damaligen Firma Dyroff gezogen, um die neuen Glocken in Empfang zu nehmen. Eine Reitereskorte stand ebenfalls bereit.
Die Marianische Kongregation, also die Jugendschar, erwartete bereits am Rüdt`schen Eck in Buchen den Lastwagen mit den Glocken. Mit Kränzen aus Tannengrün und mit Schleifen geschmückt, brachte man die Glocken zum Wallfahrtsplatz.
Am Fest des Hl. Augustinus, Sonntag, 28. August 1949, wurde durch den damaligen Dekan und gebürtigten Walldürner, Joseph Heck, das neue und jetzige Geläut feierlich eingeweiht.
Der Kirchenchor umrahmte die Zeremonie. Stadtpfarrer Baptist dankte allen großzügigen Spendern. Auch der Bürgermeister Dr. Trautmann drückte die Freude der politischen Gemeinde aus wieder ein Glockengeläute zu haben, wie es der Gemeinde zustehe, und dass es jeden in der Fremde an die Heimat erinnern möge.
Jeder Walldürner Bürger durfte gegen eine Spende von 5,-DM eine Glocke mit einem Hammer ertönen lassen. Auf diese Weise wurde noch eine beachtliche Summe gespendet.
Man verteilte die fünf Glocken aus statischen Gründen gewichtsmäßig auf beide Türme. „Dazu wurden sie mit Seilen hochgezogen, nachdem man von der Fensterbrüstung Mauerwerk abgetragen und die Eisen entfernt waren“, erzählen heute noch einige Walldürner, die dieses festliche Ereignis miterlebt haben.
Im Südturm über dem Marienaltar installierte man die zwei größten Glocken: die Heilig-Blut-Glocke, darunter die St. Georg-Glocke, in den Nordturm über dem Blutaltar alle weiteren vier Glocken.
Jede einzelne Glocke ist in vielerlei Hinsicht ein Unikat und hat viel zu erzählen. Ihre aufwendigen Verzierungen und Inschriften machen sie künstlerisch wertvoll. Jede einzelne Glocke ist mit ihrem einmaligen Klang ein physikalisches Rätsel. Jede der sechs Glocken trägt einen Namen:
HEILIG BLUT-GLOCKE
Sie ist die größte Glocke im sechsstimmigen Geläute der Basilika und schlägt nur zur vollen Stunde. Sie hat einen Durchmesser von 1,75 m und wiegt 3020 kg.
Im Abnahmegutachten 1949 schrieb der Glockensachverständige der Erzdiözese Freiburg, Heinrich Rolli:
„Sie übertrifft alle anderen an Vollendung. Sie ist der Tonhöhe nach eigentlich schon ein h, hat aber durchaus den typischen Charakter einer b-Glocke. Man muss an das Rauschen und Schweben von gewaltigen Flügeln denken, wenn man ihre ernsten, und doch so beglückenden Klänge hört. Der Tonsatz ist überaus weich und rund, die Klöppelanschläge wirken nur als Crescendo; es ist wie ein ruhiges tiefes Atmen, das dieses majestätische Singen durchströmt und belebt; die beste, große Glocke, die ich nach dem Kriege gehört habe.......“
Auf der Glocke ist das Blutbild abgebildet. Ihre Umschrift lautet:
„HEILIG BLUT, HEILIG BLUT, SCHÜTZE UNSER GLAUBENSGUT“
Gestiftet wurde diese Glocke im Oktober 1948 von Herrn Fabrikant Oscar Stalf und seiner Ehefrau Emmy aus München. So steht in großen Lettern auf der Glocke:
IN TREUE GEGEN DIE VATERSTADT UND IN DANKBARER VEREHRUNG DES HEILIGEN BLUTES HABEN MICH GESTIFTET OSCAR STALF UND SEINE EHEFRAU EMMY AUS MÜNCHEN AM 30. OKTOBER IM JAHRE DES HERRN 1948
ST. GEORG-GLOCKE
Die zweitgrößte Glocke ist dem Kirchenpatron St. Georg geweiht. Sie hat einen Durchmesser von 1,47 Meter und wiegt 1780 kg.
Laut Glockensachverständigen Rolli erklingt sie im Ton des: „Trotz merkbar gesenkter Prime und beim Anschlag leicht durchblitzender None ist die Georg-Glocke eine hervorragende Glocke. Sie hat absolut nichts von der Müdigkeit an sich, die gewöhnlich die Folge zu tief liegender Prime zu sein pflegt, sondern zeigt bei einer gewissen Eigenwilligkeit schöne Bewegtheit, Kraft und Frische“.
Auf der Glocke ist der Hl. Georg abgebildet, der gegen einen Drachen, gegen das Böse kämpft. So steht die Bitte auf der Glocke: „Gegen die Angriffe des Bösen schütze uns“. In Latein übersetzt:
„CONTRA INSIDIAS DIABOLI ESTO PRÄSIDIUM”
Die Kosten für die Georg-Glocke übernahm laut Stadtratsbeschluss die Stadtgemeinde in Form einer Holzspende. Daher trägt sie auch das Stadtwappen und die Inschrift in großen Lettern:
GESTIFTET VON DER STADTGEMEINDE WALLDÜRN
MUTTER GOTTES-GLOCKE
Sie hat einen Durchmesser von 1,31 Metern, wiegt 1290 kg und ist auf den Ton es gestimmt.
Der Glockensachverständige Heinrich Rolli meinte zu ihr nach der Läuteprüfung: „Etwas metallisch, aber doch flüssig ist die Marienglocke, eine „Predigerin“.
Die Glocke ist „Maria, der Mutter des Guten Rates“ geweiht. Unter diesem Titel verehrt in besonderer Weise der Augustinerorden die Gottesmutter. Darum steht auf dieser Glocke:
„FOLGE IHREM RAT“
Außerdem steht in Großbuchstaben die Inschrift:
EN! CUPIENTE LOCI; PASTOR, JOANNE, BAPTISTA COEPI SONARE, PER ARTEM FUSORIS, AD LAUDEM; MARIAE HOLQUE, AUCTORE, SOMANT, HAE, ALIAE, CAMPANE MECUM, LAUDEM et GLORIAM, DEI, EIUSQUE, SANCTORUM, PERENMUN ANNO DOMINI MCMXLIX
Die Übersetzung lautet:
Siehe da! Auf Wunsch des hiesigen Priesters, Johannes Baptist, begann ich durch die Kunst des Gießers zum Lob Mariens zu erklingen und auf dessen Veranlassung verkünden diese anderen Glocken mit mir den ewigen Ruhm und Preis Gottes und seiner Heiligen. Im Jahre des Herrn 1949.
ST. AUGUSTINUS-GLOCKE
Die viertgrößte Glocke ist dem Heiligen Augustinus geweiht. Sie wiegt 885 kg und erklingt im Ton f.
Der Glockensachverständige, Herr Rolli, beurteilte sie nach ihrer Klangwirkung so: „Sehr warm und eindrucksvoll, innig und tief klingt die Augustinus-Glocke, die Stimme des Gebetes“.
Sie trägt als Inschrift das Wort: „COR UNUM ET ANIMA UNA DEO”
Pfarrer Wigbert, der frühere Walldürner Stadtpfarrer, griff dieses Wort in einer seiner Wallfahrtspredigten auf: „Ein Herz und eine Seele in Gott sein“.
Dieses Wort stammt aus der Apostelgeschichte und ist ein Gebet um den Frieden in den Gemeinden und Familien, um ein besseres Verstehen zwischen Jung und Alt.
Die Glocke zeigt die Abbildung des Hl. Augustinus als Bischof mit Bischofsstab, Mitra, im Augustinergewand und einem brennenden Herzen in der Hand.
Darunter steht in Großlettern die Inschrift: „REGULA TOLLE LEGE“
Sie heißt: „Die Regel, nimm sie und lies“.
Die Augustinus-Glocke wurde von den Walldürner Fabrikanten Noe-Heß, Heller, Kast, Sailer, Klingenberger und Franz Schneider gestiftet.
ST. MONIKA-GLOCKE
Monika war die Mutter des Heiligen Ordensvaters Augustinus. Augustinus verehrte seine Mutter Monika und zeichnete ihr Bild in seinen „Confessiones“. Er setzte ihr ein Denkmal, es steht auf der Monika-Glocke:
„DURCH MEINER MUTTER WORT, O HERR,
SPRACHST DU SO LAUT ZU MIR“
„Die Monika-Glocke klingt außerordentlich mild im as-Ton“, bewertete der Glockensachverständige sie in ihrer Klangwirkung.
Sie wiegt 499 kg.
Die Monika-Glocke wurde von Heinrich Kieser und seiner Ehefrau aus Anlass ihres Hochzeitstages gestiftet.
Diese fünf genannten Glocken wurden 1949 gegossen und feierlich eingeweiht. Im August 2024 feiern sie ihren 75. Geburtstag.
1951 ergänzte man das Geläut mit der ST. JOSEF-GLOCKE
Sie ist dem Hl. Josef geweiht und wiegt 346 kg.
Der Glockensachverständige Heinrich Rolli schrieb in seinem Abnahmegutachten 1951: „Durch diese neue kleine h-Glocke hat Meister Hamm dem vorher schon tongewaltigen Geläute erst die letzte Vervollkommnung gegeben. Seine Qualitäten liegen in erster Linie in einer wahrhaft heiligen, tiefen Sprache und weniger in musikalischer Glätte und Exaktheit. Möge das etwas eigenwillige Geläute mit seinen zu Herzen gehenden Klängen immer ein würdiges Gotteslob und die Freude der ganzen Stadt sein...“.
Auf der Josef-Glocke steht die Inschrift:
„NÄHRVATER UNS`RES HERREN CHRIST, IN JESU ARM GESTORBEN BIST.
MARIA DRÜCK` DAS AUG` DIR ZU, O FÜHR`AUCH UNS ZUR EW`GEN RUH“
Alle sechs Glocken bilden ein festliches Geläut, sie sind ein Programm.
Wenn sie gemeinsam läuten, beginnt als Erste, die Kleinste, die Josef-Glocke. Dann stimmen nach und nach alle weiteren Glocken ein bis zum Schluss bereits bei gewaltigem Geläut noch die Heilig Blut-Glocke einfällt.
Alle Glocken zusammen stimmen das lateinische „Tedeum“, das „Großer Gott, wir loben dich“ an.
Auch beim Ausschalten der Glocken wird in der gleichen Reihenfolge vorgegangen, so dass die größte Glocke des Geläutes immer das letzte Wort hat.
Übrigens gibt es in Walldürn insgesamt 23 Glocken, die alle in ihrem Klangbild auf die Glocken der Wallfahrtsbasilika abgestimmt sind.
Quellen:
- Glockenarchiv, Kath. Pfarramt Walldürn
- Bilder: Kath. Pfarramt und Bernhard Winkler